Die Eröffnung der Ausstellung „Filz und Eigensinn – und ich“ von Mechtildis Köder am 15.Februar 2019 war nicht nur gut besucht, für viele Besucher*innen war der Abend auch ein besonderes Erlebnis.
Die Objekte fügen sich sehr stimmig in die Räumlichkeiten ein, so als würden sie “schon lange dort hängen, mit dem Gemäuer kommunizieren und eine Geschichte erzählen”, so eine Besucherin.
Die Museumsleiterin, Frau Schumann, freute sich eine derart zum Haus passende Ausstellung begrüßen zu können. Ist doch Schafwolle der Werkstoff sowohl in der Tuchherstellung als auch im Filzen.
Mechtildis Köder selbst erläuterte den „Eigensinn“ im Filz und ging auf die häufige Verwendung des Motivs der Spirale und auf die Runentafeln ein. [Mehr dazu].
Mit der Aktion „Sternenhimmel“ konnten die Gäste schlichte kleine gefilzte Gewänder erwerben. Der Erlös geht an den deutschen Kinderschutzbund. Hintergrund ist die Geschichte eines 10jährigen Mädchens, das zur Prostitution gezwungen wird, und deren Augen wie Sterne leuchten, wenn sie singt.
Den musikalischen Rahmen gestaltete Lydia Burghart mit ihrer keltischen Harfe.
Nach den Ausführungen der Redner*innen gingen die Gäste Hand in Hand aus einem großen Kreis heraus eine Spirale, begleitet von Harfenmusik und Gesang. Eine besondere Stimmung aus Verbundenheit, Ursprünglichkeit und tiefem Wissen breitete sich aus. Danke an alle Besucher*innen für diesen gelungenen Auftakt der Ausstellung, die noch bis zum 17. März 2019 im Tuchmachermuseum Bramsche zu sehen ist.
Die NOZ /BN berichtete über die Ausstellungseröffnung: Bericht vom 17.02.2019
Stichworte aus meinen Ausführungen bei der Vernissage zum Thema / Titel
„Eigensinn“ in dreifacher Hinsicht:
- Schafwolle, das Grundmaterial für Filz, ist ein natürliches Material. Jede Schafrasse liefert eine andere Wolle, jede Wolle fühlt sich anders an, jede Wolle arbeitet anders, hat einen eigenen Sinn. Und wenn ich verschiedene Sorten Wolle mische, was ich in aller Regel mache, wird es noch eigen-sinniger.
- Die uralte Technik des Filzens, die so einfach, so vielfältig und auch so eigen-sinnig ist. Der Weg von der losen luftigen Wolle zu einem festen Faserverbund, der nicht mehr auflösbar ist. Kein Zurück, kein „Aufribbeln“ – auch das Leben lässt sich nicht aufribbeln. Dieser Prozess, im Laufe dessen die Wollfasern
immer dichter zusammenrutschen, der Filz fester und das Objekt kleiner wird, fordert meine „Dialogfähigkeit“ heraus. Egal ob ich frei rangehe, mit verschiedensten Materialien spiele und mich überraschen lasse, oder ob ich eine bestimmte Vorstellung von einem Objekt verwirklichen will, wozu es
schon einer großen Portion an Erfahrung und Übung bedarf – es ist immer ein spannender Prozess. Das Sich-einlassen und Hinspüren wird reichlich belohnt. Wer ist eigen-sinniger? Die Wolle, die Technik oder ich? Die Ursprünglichkeit und Klarheit der Technik schaffen einen fast magischen Raum voller
Langsamkeit, Geduld, Fließen … und gleichzeitig schafft der Filz quasi Tatsachen, ein Zurück ist nicht möglich.
- „… und ich“: das archaische Material Filz ist für mich ein ideales Medium für eine ebenso archaische Formensprache, der ich neue Bedeutung geben möchte. Es ist für mich als würde beides zusammengehören.
Zum Motiv der Spirale:
Ich verwende das wohl älteste Symbol des öfteren und bewusst. Denn wenn ich mich einlasse auf diese spezielle Linienführung, geht davon eine große Kraft und Tiefe aus, und ich kann die Botschaft spüren: Hinein und Hinaus, Enge und Weite, Mitte und Außen als Bild für Phasen des Lebens begreifen und respektieren, ob im Jahreskreislauf, im persönlichen Lebensweg oder in der Gestaltung eines einzelnen Tages. So nutze ich eine alte Formensprache, um ihr neuen Ausdruck und neue Kraft zu verleihen, von der sich Jede und Jeder anstecken lassen kann … auf der Suche nach einer neuen, anderen Qualität von Leben. Wie wäre es z.B. im Winter sich zurückzuziehen, die dunklen langen Abende zu nutzen für Rückschau, Bilanz ziehen und damit Neuem Raum zu
geben? Stattdessen rennen viele von einer Adventsfeier zur nächsten, von immer größeren Weihnachtsmärkten ganz zu schweigen.
Zu den Runen:
Runen sind Schriftzeichen, die von den Germanen im nördlichen Europa nachweisbar etwa ab u. Z. bis ins Mittelalter hinein genutzt wurden. Aus der Zeit um 1000 / 1100 sind in Schweden viele Monumente mit eingeritzten Runen zu finden, z. B. Steine als Wegmarkierungen und Gedenksteine. Es gibt verschiedene Runenreihen, die unterschiedliche Zeichen in unterschiedlicher Anzahl aufweisen. Allgemein anerkannt ist das sog. Ältere Futhark mit 24 Zeichen in einer festgelegten Reihenfolge, das ich in den Runentafeln verwende.
Runen stehen für Geheimnis, Mysterium. Wir kennen heute das Wort „raunen“. Es sind Symbole im Weltverständnis germanischer Stämme, wohl genutzt für schamanische und initiatorische Praktiken. Je mehr sich das Christentum und auch die Schrift ausbreiteten, desto mehr wurden die Runen in den Hintergrund gedrängt bzw. auf Buchstaben reduziert.
Mechtildis Köder
Rieste im Februar 2019